1856/1857: Ein Oscar für Norwegen!
Norwegen war im Mittelalter ein selbstständiges Königreich, bevor es sich 1523 bis 1814 in Union mit Dänemark befand. Da der dänische König auf Seiten Napoleons gestanden hatte, musste er 1814 Norwegen an Schweden abtreten. Norwegen war seitdem bis 1905 in Personalunion mit Schweden verbunden und verausgabte eigene Briefmarken, sogar einige Monate vor Schweden, nämlich zum 01.01.1855. Anders als in Schweden erschienen 1856/1857 vier Marken mit dem Portrait des damaligen gemeinsamen Königs Oskar I. (schwedische Schreibweise: Oscar). Oskar I. wurde als François Joseph Oscar Bernadotte am 04.07.1799 in Paris geboren. Sein Vater, Jean-Baptiste Bernadotte, wurde später französischer Marschall unter Napoleon. Seine Mutter Désirée, geb. Clary, war 1795/1796 mit dem damals noch unbedeutenden General Napoleon Bonaparte, dem späteren Kaiser Napoleon, verlobt. Ihre Schwester hatte den älteren Bruder Napoleons geheiratet. Angeblich soll Napoleon Taufpate des kleinen Oscar gewesen sein und sogar den Namen „Oscar“ nach der Lektüre der Heldengesänge Ossians selbst vorgeschlagen haben. Marschall Bernadotte fand -auch wegen der milden Behandlung schwedischer Gefangener bei der Einnahme Lübecks- frühe Kontakte zu Schweden und wurde, weil das damalige Königshaus keinen Thronerben mehr besaß, von König Karl XIII. von Schweden mit Zustimmung Napoleons adoptiert und damit Kronprinz von Schweden. Er überwarf sich später mit Napoleon und wechselte zu dessen Feinden über. Nach dem Tod Karls XIII. wurde der ehemalige Marschall Bernadotte als Karl XIV. Johann 1818 König von Schweden und Norwegen und damit zum Stammvater der heute noch in Schweden regierenden Dynastie. Oskar erbte den Thron nach dem Tod seines Vaters 1844. Die nachstehende Briefvorderseite zeigt zwei kehrdruckförmig zueinander geklebte Marken mit seinem Portrait:
Es handelt sich um die 3 Skilling lilagrau. Rechts daneben ist ein waagrechtes Paar der späteren Wappenausgabe zu 8 Skilling hellrosa aufgeklebt. Abgestempelt sind die Marken in der rund 40 km südwestlich von Oslo (damaliger Name: Christiania) gelegenen Stadt Drammen unter dem Datum 28.8.1865. Der Brief war nach Amsterdam gerichtet. Nach den Ermittlungen des Schweizer Verbandsprüfers Witschi entspricht die Frankatur von 22 Skilling „dem damaligen Sommerporto für einen Brief nach Holland in der ersten Gewichtsklasse“. Die Marken sind fehlerfrei. Leider ist von dem Brief nur die beschnittene Vorderseite erhalten geblieben, sodass kein rückseitiger Ankunftsstempel vorhanden ist, ebenso wenig ein Transitstempel. Dennoch handelt es sich nach dem Befund von Witschi „um einen seltenen Briefteil in guter Erhaltung mit schöner Farbwirkung“.
Zum Zeitpunkt der Abstempelung dieser Marken lebte aber König Oskar I. nicht mehr. Er starb 1859.
Schweden 1855: Wenn grün doch gelborange wäre!
1855 verausgabte das Königreich Schweden seine ersten Briefmarken. Es erschienen in unterschiedlicher Farbe je nach Portostufe 5 Werte zu 3, 4, 6, 8 und 24 Skilling Banco. Ein Reichstaler (Riksdaler) wurde aus 48 Skilling Banco gebildet. Zwar waren einige Länder, was die Einführung von Briefmarken betraf, schneller als Schweden. Schweden war aber trotzdem „up to date“, da die Marken nicht mit der Schere geschnitten werden mussten, sondern eine Zähnung aufwiesen, also im Druckbogen perforiert wurden, was selbst in Großbritannien, dem Mutterland der Briefmarken, erst im Jahr zuvor erstmals erfolgt war. Drei Marken der frühen Skilling Banco-Ausgaben sind nachstehend abgebildet:
Es handelt sich um die 3 Skilling Banco in bläulichgrün, die 6 Sk. graubraun und die 8 Sk. orange. Die Marken zeigen das schwedische Reichswappen, den Landesnamen und die Währungsangabe. Die 3 Sk. wurde in Gefle abgestempelt und zwar am 3. einer nicht lesbaren Monatsangabe 1858. Die 6 Sk. zeigt einen sehr schön abgeschlagenen Stockholmer Fingerhutstempel mit dem Datum 20.07.1857, die 8 Sk. einen Stempel von Halmstad vom 11.06.1858. Die Werte zu 6 Sk. und 8 Sk. sind tadellos erhalten. Die katalogmäßig höher bewertete bläulichgrüne 3 Sk.-Marke ist jedoch repariert und daher mit deutlich höherer rückseitiger Prüfsignatur versehen.
Wer weiß aber schon, dass die wertvollste Einzelbriefmarke Europas aus Schweden, und zwar von dieser Ausgabe stammt? Nimmt man nämlich die 3 Skilling Banco statt bläulichgrün in der Farbe der 8 Skilling gelborange, ergibt sich ein Fehldruck, von dem lediglich ein einziges Stück bekannt geworden ist, nämlich die berühmte 3 Skilling Banco gelborange. Offensichtlich wurde bei einem Nachdruck der 8 Skilling gelborange zumindest bei einem Bogen das falsche Klischee der 3 Skilling-Marke eingesetzt, sodass dieser Fehldruck entstand. Das einzige bisher bekannt gewordene und erhalten gebliebene Exemplar wird im Michel-Katalog mit sage und schreibe 2 Mio. Euro bewertet, damit höher als eine rote oder blaue „Mauritius“. Zuletzt wurde das Stück 2010 für eine unbekannte Summe an einen unbekannten Bieter auf einer Auktion verkauft. Er wird sich im Stillen an seinem Unikat erfreuen, dies im Bewusstsein, abgesehen von der zuletzt im Sommer 2014 versteigerten „1 Cent British Guiana“ deren Echtheit nicht unumstritten ist, die wertvollste Briefmarke der Welt zu besitzen.
1859: „Alicante – New York, einfach!“
In einem gesonderten Artikel hatten wir über die beiden ersten Briefmarkenserien Spaniens aus den Jahren 1850 und 1851 berichtet. Auch in den Folgejahren wurde jeweils eine aus mehreren Werten bestehende Serie mit dem Portrait Königin Isabellas II. (geb. 1830, reg. seit 1833) verausgabt. 1855 erschien in der Farbe braun-violett ein weiterer 2 Reales- Wert. Ein Vierer-Streifen auf Brief ist nachstehend abgebildet:
Es handelt sich um eine Briefvorderseite (die Rückseite mit weiteren möglichen Transitstempeln ist leider nicht erhalten geblieben). Der Viererstreifen ist allseits gut – bis breitrandig geschnitten. Der Brief stammt aus dem Jahr 1859. Zu dieser Zeit waren die bei den frühen Ausgaben eingesetzten Spinnenstempel und anschließenden Roststempel nicht mehr gebräuchlich, sondern normale runde Ortsstempel. Unser Brief wurde am 13.01.1859 in Dénia in der Provinz Alicante abgestempelt, ist an Kaufleute in New York, also in die USA gerichtet und trägt den Vermerk einer Beförderungsanweisung via England (Inglaterra). Der Brief hat dann auch sein Zwischenziel in England erreicht. Das beweist der genau in der Mitte des Briefes befindliche rote Londoner Durchgangsstempel vom 20.01.1859. Der Brief benötigte also von der spanischen Ostküste nach London eine Woche. Dabei ist anzunehmen, dass der Brief zu Land oder zu Schiff nach Südfrankreich befördert wurde und von dort über das bereits hervorragend ausgebaute französische Eisenbahnnetz zur Kanalküste und mit Fährschiff und Zug nach London gelangte. Vermutlich ging es dann mit der Eisenbahn nach Liverpool weiter, weil Liverpool überwiegend Ausgangshafen für Schiffe nach New York war. Leider fehlen, wie schon erwähnt, die entsprechenden Transitstempel, um hier letzte Gewissheit zu geben. Faktum ist aber, dass der Brief New York erreichte. Das zeigt der Ankunftsstempel vom 08. Februar. Dabei darf man sich nicht von der großen „5“ über der Monatsangabe irritieren lassen, denn diese Zahl steht nicht für den Monatstag, sondern für den amerikanischen Portoanteil von 5 Cents. Insgesamt war also der Brief von Dénia/Alicante in Spanien nach New York nur knapp vier Wochen unterwegs und benötigte von England gerade einmal 2,5 Wochen, für ein Dampfschiff im Jahr 1859 eine recht kurze Zeit.
Königin Isabella verlor im September 1868 im Zuge eines Militärputsches ihren Thron und begab sich nach Paris ins Exil, wo sie 1904 starb. Der verwaiste Thron wurde 1870 bekanntlich einem Hohenzollernprinzen angeboten, und im Zuge dieser Verwicklungen („Emser Depesche“ Bismarcks) kam es zum Krieg zwischen Frankreich und Preussen nebst den anderen Deutschen Staaten. Immerhin konnte Isabella noch erleben, dass ihr Sohn als Alfons XII. 1875 den Thron erneut für die spanischen Bourbonen erlangte.
Spanien 1850/51: Die Spinnen der Königin
Anfang Januar 1850 erschienen Spaniens erste Briefmarken, damit ein Jahr später als in Frankreich oder Belgien, jedoch ein Jahr früher als in Baden oder Württemberg. Die Marken zeigten in unterschiedlichen Farben je nach Wertstufen das Portrait der damals gerade 19 Jahre alt gewordenen Bourbonen-Königin Isabella II., der Ur-Ur-Ur-Großmutter von König Felipe VI.. Ihr Vater, Ferdinand VII., der keinen Sohn hatte, hatte für sie speziell die Thronfolge geändert, so dass sie nach dessen Tod bereits 1833 mit 3 Jahren spanische Königin geworden war, allerdings unter der Regentschaft ihrer Mutter. Jahrelang machte ihr Onkel (Carlos) ihr den Thron streitig (Karlistenkriege), bevor ihre Regierung die Oberhand behielt.
Die frühen Briefmarken Spaniens tragen, wie damals in vielen Ländern üblich, keinen Landesnamen. Der Kopf des Monarchen genügte als „Markenzeichen“. Im Folgenden zeigen wir exemplarisch drei spanische Marken aus den Jahren 1850/51:
Oben ist ein sehr schönes Paar der 6 Reales hellblau von 1850 zu sehen. Die Marken sind allseits gut- bis breitrandig geschnitten, außerordentlich farbfrisch und wunderschön mit den damals üblichen schwarzen Spinnenstempeln (matasellos de araña negra) entwertet. Das kleeblattförmige Mittelstück wies eine große Freifläche aus; die vier „Spinnenbeine“ ähnelten Pfeilspitzen. Der Postbeamte sollte die Marken möglichst so abstempeln, dass das Gesicht der Königin nicht überstempelt wurde. Das ist bei der rechten Briefmarke des Paares gut gelungen. Bei der linken Marke ist der Stempel ganz gerade und damit besonders schön aufgesetzt. Die „Spinnen“ am Kopf stören Königin Isabella jedoch nicht. Sie schaut ungerührt und majestätisch nach rechts.
Im Gegensatz zu anderen Ländern, deren erste Marken erst nach Jahren ersetzt wurden, verausgabte Spanien jedes Jahr bis 1856 eine neue Serie mit geändertem Portrait Isabellas, somit auch 1851. Zwei Marken dieser Ausgabe sind hier ebenfalls abgebildet, so die sehr häufig vorkommende schwarze 6 Cuartos mit sehr schön erkennbarem Markenbild, aber auch Spaniens berühmteste Briefmarke: Obwohl es ab 1851 in der Serie immer auch einen Wert zu 2 Reales gab, verstehen die Philatelisten unter einer „Dos Reales“ die orange-rote Marke von 1851, die wegen ihrer Seltenheit und Farbe gerne mit der 1849 erschienenen französischen 1 Franc Vermillon verglichen wird. Unsere Dos Reales-Marke ist zwar nicht sehr schön gestempelt, dafür aber allseits breitrandig geschnitten und nur geringfügig mit kleineren Mängeln im Randbereich und kaum wahrnehmbaren Bugspuren behaftet.
Wie sich Königin Isabellas Regentschaft weiter entwickelte, schildern wir in einem gesonderten Artikel.
1854: Unfrisierte Schweizerinnen
Nach der Kantonalspost sowie den ersten Ausgaben der Bundespost und den dortigen Rayon-Ausgaben begann die Schweiz 1854 mit der Verausgabung der sog. Strubel-Marken. Die Marken zeigten als Symbol der Einheit des Landes eine sitzende Figur der Helvetia mit Speer und Schild, wobei das Schweizer Kreuz auf dem Schild den Ersatz für die fehlende Landesbezeichnung darstellte. Es erschienen in verschiedener Farbe je nach Portostufe erst die Werte zu 5, 10, 15, 20 und 40 Rappen, schließlich noch zu 1 Franken und 2 Rappen. Die Marken wurden zunächst in München, dann schließlich in der eidgenössischen Münze in Bern gedruckt. Nachstehend sind zwei 4er-Blocks der 5 Rappen braun und der 15 Rappen rosa abgebildet:
Bei allen Marken ist oben der Hinweis „Franco“ (=Freimarke) gedruckt. Die anderen drei Rahmenumfassungen weisen die Wertstufe in den drei Landessprachen Deutsch (unten), Französisch (links) und Italienisch (rechts) auf. Bei den beiden linken Marken des 5 Rappen 4er-Blocks ist das Abbild der Helvetia nicht überstempelt, sodass man sehr schön die Zeichnung der Marken erkennen kann. Der Kopf wirkt allerdings konturlos ohne Gesichtszüge, und den beabsichtigten Strahlenkranz kann man auch nicht erkennen. Der Kopf erinnert an eine strubbelige Frisur („Struwwelpeter“), weshalb diese Marken als Strubel-Ausgabe (in der Schweiz auch Strubeli genannt) bezeichnet werden. Helvetia hat sich also für uns nicht frisiert. Der braune 5 Rappen 4er-Block ist in der rechten Hälfte durch zwei senkrechte Rahmenstempel von Neuenkirch ohne Datumsangabe entwertet. Unser 4er-Block der 15 Rappen-Marke weist vier Einzelentwertungen mit dem Fingerhutstempel von Couvet vom 13.09. mit leider nicht lesbarer Jahreszahl auf. Beide 4er-Blöcke zeigen aber das Hauptproblem der Strubel-Ausgabe: Um möglichst viele Marken aus einem Druckbogen „herauszuholen“, wurden die Markenklischees extrem dicht aneinandergesetzt, sodass zwischen den einzelnen Marken nur ein minimaler weißer Zwischenrand verblieb. Für einen Postbeamten war es daher kaum möglich, vollrandige Stücke aus dem Bogen mit der Schere zu schneiden, ohne die Nachbarmarken in Mitleidenschaft zu ziehen. Das sieht man deutlich beim rosa 4er-Block, der unten angeschnitten ist. So ziemlich das Maximum an Schnittqualität ist beim braunen 4er-Block erreicht, bei dem allerdings rückseitig eine dünne Stelle repariert ist. Leichte Schnittmängel sind bei dieser Markenausgabe wegen der engen Abstände aber üblich und akzeptabel.
1843 – 1845: Rendezvous mit einem Täubchen
Die Schweiz, genauer gesagt der Kanton Zürich, verausgabte als zweites Land der Welt eigene Briefmarken. Da die schweizerische Bundespost erst ab 1849 Marken herausgab, sind die frühen Marken der Schweiz den einzelnen Kantonen zuzuordnen. Vier davon sind nachstehend abgebildet:
Die beiden ersten Marken erschienen zum 01.03.1843 im Kanton Zürich. Beide Marken in Ziffernzeichnung sind schwarz, aber letztlich zweifarbig, weil sie nur mikroskopisch zu sehende rote Unterdrucklinien aufweisen. Oben ist der Name des Kantons „Zürich“ gedruckt. Unten steht der Verwendungszweck der Wertziffern. 4 Rappen galten für Briefe im Ortsbereich, 6 Rappen für Post im Kantonsgebiet. Die 6 Rp. weist Schnittmängel auf, ist aber ansonsten einwandfrei erhalten. Die 4 Rp.-Marke ist stark repariert, insbesondere sind die Ränder ergänzt und die Marke rückseitig hinterlegt. Beide Marken sind mit einer schönen roten Zürcherrosette entwertet.
Noch berühmter ist die sog. „Doppelgenf“, zum 30.09.1843 im Kanton Genf verausgabt. Sie ist schwarz auf gelbgrünem Papier gedruckt und umfasste zwei Portostufen: Für Briefe im Kanton Genf galt ein Portosatz von 10 Centimes. Dafür musste die gesamte Marke verklebt werden. Für Stadtpost in Genf genügten 5 Centimes. Zu diesem Zwecke konnte die Marke in der Mitte auseinandergeschnitten werden, da unter dem jeweiligen Genfer Wappen auch diese Wertstufe von 5 C. aufgedruckt ist. Die mit einer roten Genfer Rosette entwertete Marke erschien in relativ geringer Stückzahl, wobei die meisten Doppelgenfmarken für seinerzeitige Stadtpostbriefe zerschnitten wurden. Die Marke ist aber oben angeschnitten.
Berühmt ist auch die einzige Ausgabe des Kantons Basel-Stadt zum 01.07.1845, das Basler Täubchen (in der Schweiz Basler Dybli genannt). Diese Marke zeigt in der Mitte in Prägedruck eine weiße Taube, ist aber im Übrigen bereits dreifarbig gedruckt, nämlich schwarz, hellblau und rot, für die damalige Zeit ebenso ungewöhnlich wie eine drucktechnische Meisterleistung. Die Marke zu 2 ½ Rappen galt für die Stadtpost in Basel. Sie ist mit einem Kastenstempel „Franco“ entwertet. Die Marke weist kleinere Mängel auf.
Die schweizerische Kantonalspost ist für Philatelisten ein faszinierendes Gebiet. Einwandfreie Stücke dieser Marken erzielen hohe Preise. Stücke mit Mängeln oder Reparaturen, wie oben stehende Beispiele, werten deutlich niedriger, gelten aber durchaus in Anbetracht der Seltenheit der Marken als schöne Repräsentationsstücke.