Bayerns König Ludwig I. (25.8.1786-29.2.1868; reg. 1825-1848), Großvater des nach ihm benannten späteren „Märchenkönigs“, war ein Freund und Förderer der Kunst. Während seiner Regierungszeit wurden in München zahlreiche noch heute die Stadt prägenden Repräsentationsbauten errichtet. Auf Schloss Nymphenburg ließ er für seine „Schönheitengalerie“ 38 Portraits schöner Münchner Frauen malen, darunter Lola Montez, Tänzerin und Geliebte des Königs, wobei ihn diese Affaire im Revolutionsjahr 1848 den Thron kosten sollte. Unter seinem eher biederen Nachfolger Maximilian II. (28.11.1811-10.3.1864), der allerdings ebenfalls Wissenschaften und Kultur förderte, erschienen Bayerns erste Briefmarken der sog. Quadratausgaben mit ihren zentralen Wertziffern, beginnend mit dem legendären „Schwarzen Einser“ von 1849. 1850 wurden 5 weitere Werte verausgabt, von denen wir 2 verschiedene Exemplare auf einem bildschönen Faltbrief aus dem Jahre 1861 hier präsentieren:
Der vollständig und auch sonst tadellos erhaltene Brief ist mit der 6 Kreuzer braun (sog. Type II; Druckplatte 3) und der 3 Kr blau frankiert. Während die 3 Kr allseits voll- bis breitrandig geschnitten ist und links sowie oben die Schnittlinien erkennen lässt, handelt es sich bei der 6 Kr um ein ringsum gleichmäßig überrandiges Ausnahmestück mit allen (!) 4 Schnittlinien. Die farbfrischen Marken sind einzeln mit dem sog. offenen Mühlradstempel „291“ von Ludwigshafen (am Rhein), das damals wie die gesamte Pfalz zu Bayern gehörte, entwertet. Absender war die in Ludwigshafen ansässige „Mechanische Baumwollspinnerei & Weberei“ mit ihrer „Baumwollsammt-Fabrikation“, wie wir dem um den bayerischen Löwen gedruckten innenseitigen Firmenlogo entnehmen können. Rechts am Rand ist der Ludwigshafener Halbkreisstempel vom 8.3. [1861 gemäß der Briefdatierung] abgeschlagen. Der Brief enthält eine Anfrage an die „Spinnerei Lauffenmühle“ bei Thiengen (Waldshut-Tiengen) wegen der Lieferung von Garn und Seide „zu best niederstem Preis franco Mannheim“. Die „Spinnerei Lauffenmühle AG“ war 1835/36 gegründet worden und entwickelte sich im 20. Jahrhundert zu einem der größten Stofferzeuger Europas, ging jedoch 2019 in Insolvenz. Der Brief, noch am 8.3. mit der badischen Bahnpost befördert, erreichte das badische „Thiengen“ (sic!) gemäß rückseitigem Ankunftsstempel am 9.3.1861. Eine zunächst handschriftlich mit blauem Stift vermerkte „2“ Kr Landposttaxe wurde wieder gestrichen, da Thiengen Briefexpedition war. Insgesamt handelt es sich um einen wunderschönen Faltbrief und damit um eine „bayerische Schönheit“, auch wenn sie keinen Einzug in die Nymphenburger Schönheitengalerie hätte halten können.