Griechenland 1870: Der „Kouros von Nauplia“

„Kouros“ (griechisch: ΚΟΥΡΟΣ) ist in der griechischen Kunst ein fester Terminus für die Statue eines „jungen Mannes“, was ΚΟΥΡΟΣ in deutscher Übersetzung bedeutet. Der Plural lautet „Kouroi“ (ΚΟΥΡΟΙ). Noch bekannter ist aber das weibliche Pendant, nämlich eine „Kore“ (ΚΟΡΗ), was „Jungfrau“ bzw. „Mädchen“ heißt und deren berühmteste Vertreterinnen als Karyatiden die Vorhalle des Erechtheion auf der Akropolis von Athen schmücken. Allerdings wurden die 6 Originale wegen des Athener Smogs durch Kopien ersetzt: 5 befinden sich im Akropolis- Museum, die 6. und am besten erhaltene seit 1811 in Londons British Museum. Kouroi gab und gibt es in Griechenland natürlich nicht nur in der Kunst, sondern auch im wirklichen Leben, auch in Nauplia (altgriechisch: Ναυπλία) / Nafplio (neugriechisch: Ναύπλιο oder Ναύπλιον), der von 1829 bis 1834 ersten provisorischen Hauptstadt des ab 1827 wieder hergestellten unabhängigen Hellas. 1870 schrieb in Nauplia ein dort heimischer „Kouros“ den hier abgebildeten Brief (der Inhalt ist nicht mehr vorhanden, sondern nur noch die Faltbriefhülle) nach Marseille:

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Dabei handelt es sich bei diesem „Kouros von Nauplia“ aber nicht um eine antike Statue wie z.B. den „Epheben von Antikythera“ oder die „Venus von Milo“, sondern um einen Mann, der mit Nachnamen einfach nur „Kouros“ hieß, also „Jungmann“, und als Geschäftsmann das Jünglingsalter wohl längst hinter sich gelassen hatte. Der Brief ist mit 4 „Großen Hermesköpfen“ der Athener Ausgabe von 1868/69 frankiert: Links sehen wir eine oben angeschnittene 40 Lepta lilabraun, rechts daneben eine vollrandige 20 L hellblau und ganz rechts ein allseits vollrandiges Paar der 5 L mattgrün auf grünlich. Die Marken sind einzeln sauber mit dem Punktrhombenstempel „15“ von Nauplia entwertet, wobei auch hier der französische Einfluss auf das Postwesen unverkennbar ist, weil das Stempelsystem 1:1 von Frankreich, nur mit anderen und viel weniger Nummern (es gibt nur 152 verschiedene Stempelnummern) übernommen wurde. Rechts oben ist - wie nach dem französischen Vorbild- der Zweikreisortsstempel von „Nauplion“ (ΝΑΥΠΛΙΟΝ) vom 20.10.1870 (jul. Kalender, entspricht dem 1.11.1870 des greg. Kalenders) abgeschlagen. Rückseitig finden wir den Transitstempel von Piräus (ΠΕΙΡΑΙΕΥΣ) vom 22.10. (3.11.). Unser Brief ist an „Alexandre A. Couros“ gerichtet und kam gemäß dem violetten Ankunftsstempel, der über zwei Marken verläuft, am 8.11. in Marseille an. Der „Kouros von Nauplia“ schrieb also an den „Kouros von Marseille“, der seinen alten Namen freilich schon „französiert“ hatte. Marseille war einst als griechische Kolonie Massalia gegründet worden, so dass das Poststück dorthin letztlich aus dem „Mutterland“ kam.

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