Die Briefmarken Großbritanniens sind, gerade was die frühen Ausgaben anbelangt, für den klassischen Philatelisten ein wichtiges Sammelgebiet, zugleich aber auch ein dankbares Themenfeld für literarische Beiträge. Die in großer Auflagenmenge ab 1841 verausgabte Michel-Nr. 3, die „1 Penny Rose“ wertet im Michel-Katalog gerade einmal mit EUR 6,00, ist also als Einzelmarke oder einzeln auf Brief nichts Besonderes. Anders verhält es sich mit ihrer Verwendung auf nachstehendem Poststück:
Hier wurde gleich ein Achterblock verklebt, insgesamt gut geschnitten, wobei lediglich die beiden linken Außenmarken und die Marke rechts unten an den Seitenrändern berührt bzw. angeschnitten sind. Besonders besticht die Einheit durch ihre Farbfrische, denn der Brief war in seinen über 170 Jahren ersichtlich nicht nur gegen Feuchtigkeit, sondern auch gegen das Tageslicht geschützt, und daher gegen die zwei wichtigsten Risikofaktoren, die die Erhaltung und damit den Wert von Briefmarken massiv beeinträchtigen können. Die Marken sind für „britische Verhältnisse“ je einzeln sauber mit einem Nummernstempel mit einer „1“ in der Mitte abgestempelt und können anhand ihrer unteren Eckbuchstaben (obere Reihe ME bis MH, untere Reihe NE bis NH) genau ihrer ursprünglichen Position im Druckbogen zugeordnet werden, hier der acht- und siebtletzten von 20 Reihen, und je Reihe Position 5-8 von 12 Marken. Unser Brief, dessen Inhalt als Faltbrief noch komplett erhalten ist, wurde gemäß Ortsangabe im Brieftext und rückseitigem Ortsstempel am 14.10.1845 in der an der Nordseeküste gelegenen schottischen Hafenstadt Aberdeen aufgegeben und ist in das südwestlich gelegene nur ca. 20 Meilen entfernte, 1805 gegründete Banchory, das heute rund 7300 Einwohner zählt, gerichtet. Als unser Brief verfasst wurde, hatte für das kleine Banchory noch nicht das Eisenbahnzeitalter begonnen, was man auch aus dem Umstand ersieht, dass der Brief gemäß rückseitigem Ankunftsstempel erst am Folgetag, also am 15.10. in Banchory ankam. Nur 10 oder 20 Jahre später hätte der Brief mit der Eisenbahn noch am gleichen Tag seinen Bestimmungsort erreicht. Das Porto war mit 8 Pence für eine solch kurze Strecke und für die damaligen Verhältnisse recht hoch und entsprach der vierfachen Portostufe für Briefe außerorts. Das lag wohl an seinem Gewicht und einem eingelegten, im Brieftext erwähnten Discharge-Dokument, also einer Quittung bzw. einer Entlastungsbescheinigung, wobei es - bar jeder schottischen Sparsamkeit – gemäß Erledigungsvermerk des Empfängers um die damals enorme Summe von 4.007 £, 6 Shillings und 6 Pence ging, was heute rund EUR 1,2 Mio. entsprechen würde, so dass die Quittungsübersendung ihre 8 Pence Porto dann allemal wert war.