Diese Seite drucken

Frankreich 1853: „Ganz Große Koalition“

Über 60 Jahre lang kannte man in der Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene keine Regierungskoalitionen aus 3 Parteien, sofern man die CSU aufgrund ihrer Fraktionsgemeinschaft mit der CDU nicht extra zählt. Erst die „Ampelregierung“ ab Ende 2021 begründete eine 3-Parteien-Koalition, was aber kein „Novum“ darstellt, regierte doch auch Adenauer von 1949-1957 mit 3er- oder sogar 4er-Bündnissen, und während der Weimarer Republik bildeten SPD, Zentrum und DDP die sog. Weimarer Koalition. Unter einer „Großen Koalition“ verstand man bisher nur „Schwarz-Rot“ oder „Rot-Schwarz“, aber eine „Ganz Große Koalition“, also einen „Mix aus Rot, Schwarz und Grün“ (= „Kenia“- oder „Afghanistan“-Koalition) gab es auf Bundesebene noch nicht.- In der Philatelie bedarf es jedoch sehr häufig „Koalitionen“, die sich aus mehreren Briefmarken bilden, besonders dann, wenn der Höchstwert einer Freimarkenserie für den erforderlichen Tarif nicht ausreichte. Ein besonders schönes Beispiel hierfür dürfen wir mit der hier abgebildeten französischen „Ganz Großen Koalition“ aus dem Jahre 1853 präsentieren:
17 1853 Frankreich

Die Faltbriefhülle ist mit 3 Werten der 1. Briefmarkenausgabe Frankreichs frankiert, die die Darstellung der Göttin Cérès zum Motiv hat (sog. Cérès-Ausgabe). Sie symbolisiert hier zugleich die 1848 ausgerufene 2. Republik, an deren Spitze ab Ende 1848 Präsident Louis-Napoléon Bonaparte, ein Neffe Napoleons I., stand, der 1852 als Napoleon III. französischer Kaiser wurde. Der Brief ist mit der 1 Franc karmin, der 20 Centimes schwarz sowie der 15 C grün frankiert, die damit eine „Rot-Schwarz-Grüne Koalition“ bilden, um als Frankatur dieses Briefs von Paris nach New York zu dienen. Das Porto dorthin für einen Brief der 1. Gewichtsstufe betrug 1,30 F und wurde üblicherweise mit der 1 F karmin und 3 Marken der 10 C gelbbraun entrichtet, wobei in Paris mithilfe der grünen 15 C-Stadtpostmarke auch eine Kombination der 1 F karmin mit 2 Exemplaren der 15 C grün möglich war. Sehr selten gelangte ein „Trio“ aus der 1 F karmin, der 20 C schwarz und der 10 C gelbbraun zum Einsatz, weil der Postbeamte dann aus 3 verschiedenen Schalterbögen die Marken mit der Schere hätte herausschneiden müssen. Genauso zeitraubend war aber auch unsere hier vorliegende „Dreierkoalition“, die offenbar in Ermangelung von 10 C-Marken entstand, denn die Frankatursumme betrug 1,35 F und damit 5 C zuviel, so dass diese „Kombi“ außerordentlich selten ist. Die Marken sind mit einem Rollenpunktstempel („Roulettes de petits points sans fin“) entwertet. Daneben ist der Pariser Ortsdoppelkreisstempel vom 19.1.1853 abgeschlagen. Der Brief wurde via Liverpool mit einem dort am 22.1.1853 auslaufenden britischen Dampfer bis Boston und dann weiter nach New York befördert. Über die 15 C grün gehend sehen wir den Bostoner Ankunftsstempel vom 6.2.1853. Absender unseres Briefs mit seiner ungewöhnlichen, aber bildhübschen Frankatur war François Robert Boreel (1806-1869), der 1834 Sarah Astor Langdon, eine Enkelin des legendären ursprünglich aus Walldorf stammenden John Jacob Astor (1763-1848; „Waldorf Astoria“), geheiratet hatte.